Aufnahme zweier Dienstmägde im Seelhaus

Das Seelhaus war nicht nur Aufnahmestation für kranke Reisende, sondern auch für kranke Hintersässen und für kranke Dienstmägde, Knechte und Gesellen, die in der Stadt St.Gallen arbeiteten. Der Stadtarzt und Historiker Bernhard Wartmann schildert in seiner 1790/95 verfassten Stadtgeschichte das Aufnahmeverfahren solcher Personen. Demzufolge hatte jeder Bürger der Stadt St.Gallen das Recht, seine kranken Gesellen, Knechte oder Mägde im Seelhaus versorgen zu lassen. Dazu musste er beim Bürgermeister um Aufnahme ersuchen. Dieser händigte ihm einen Schein aus für den Seelmeister, damit jener die kranke Person abholte und im Seelhaus unterbrachte. Am nächsten Ratstag musste der Bürger vor dem Kleinen Rat die Krankheit seiner Bediensteten schildern. Der Kleine Rat entschied dann darüber, ob der bzw. die Kranke bis zur Genesung im Seelhaus untergebracht und mit den nötigen Medikamenten und der erforderlichen Pflege versorgt wurde. Da diese Behandlungen für die Kranken unentgeltlich waren, trug die öffentliche Hand die Kosten; dies war auch der Grund, weshalb der Rat die Entscheidung fällte.
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Sara Zündin von Altstetten
und Barbara Gräfin von Teüffen,
beyde dienstmägdt, so alhier erkranckhet,
sollen für einen monat lang ins seelhauß
aufgenommen, alda verpfleget und ihnen
durch einen der herren stattärzten mit erfor-
derlichen arzney mittlen begegnet werden.
Aus dem Ratsbeschluss wird nicht ersichtlich, an welchen Krankheiten die beiden Dienstmägde Sara Zünd und Barbara Graf litten. Im Verwaltungsschriftgut wurde der Krankheitszustand nur dann erwähnt, wenn deshalb eine besondere Behandlung (z.B. eine Badekur) oder die Verlegung in eine andere Institution nötig wurden und dadurch Kosten entstanden.
Erklärungen
Altstetten: Altstätten, Kanton St.Gallen, ehem. Bezirk Oberrheintal
Teufen: Teufen, Kanton Appenzell Ausserrhoden, ehem. Bezirk Mittelland