Bewaffnete Mönche im Kloster: Angst vor Unruhen und Revolten

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Einleitung
Bewaffnete Mönche im Kloster: Angst vor Unruhen und Revolten
Altes Archiv, Bd. 813, S. 22.

Am 9. Oktober 1525 meldete Vincenz Wetter dem kleinen Rat der Stadt St. Gallen die Waffenlieferung ins Klos­ter und ins Schloss Rorschach. Er wusste davon, weil er als Tischmacher im Auftrag des Abts die Schäfte der neuen Gewehre eingefasst hatte. Vincenz Wetter war ein Bürger, der schon früh für die reformatorischen Anliegen in der Stadt eintrat. Als Verfechter der reformatorischen Sache leitete er die beunruhigende Nachricht der bewaffneten Mönche umgehend der städtischen Obrigkeit weiter. Die Information muss für die Stadt St. Gallen interessant gewesen sein, denn man befragte hierzu auch den Münsterprediger Wendelin Oswald. Dieser war stadtbekannt und ein vehementer Befürworter des alten Glaubens. Er hatte ein Jahr zuvor die reformierte Bürgerschaft mit einer Predigt derart gegen sich aufgebracht, dass er ein Stadtverbot erhalten hatte. Auch Oswald bezeugte die Bewaffnung der Mönche. Mit der Bestätigung durch die Gegenseite war der Fall klar – der Abt rüstete seine Leute offenbar mit Waffen aus. Gewehre wurden dabei sowohl auf das äbtische St. Annaschloss in Rorschach als auch an das Kloster St. Gallen geliefert.


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Übung
Bewaffnete Mönche im Kloster: Angst vor Unruhen und Revolten
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Resultat
Bewaffnete Mönche im Kloster: Angst vor Unruhen und Revolten
Die Transkription lautet:
Vincenz Vetter, Tischmacher, sait, er habe dem Abbt etlich
Büchsen gefasset, ligend etlich auf dem Schloß Rorschach.
Und bey 10 Handbüchsen seyen her ins Closter geführt.
Und seye kein Mönch nit, er habe 3 Gewehr in seiner Cell.
Oßwald sait, Gluß hab Harnisch und Waffen in seiner
Kammer, deßgleichen der Unter-Pfister auch, und geredt,
man hat mir Harnisch und Waffen herüber geben. Auch habe
ein jeder Mönch Waffen in der Cell.
Erörterung:
Vincenz Wetter, Tischmacher, sagt (der Obrigkeit von St.Gallen), dass er für den Abt (des Klosters St.Gallen) etliche Gewehre eingefasst habe. Von diesen Gewehren befänden sich etliche auf dem Schloss Rorschach. Auch seien zehn Handbüchsen (frühe Form einer Handfeuerwaffe) nach St.Gallen [her] in das Kloster geführt worden, und es gäbe keinen Mönch, der nicht drei Gewehre in seiner Zelle habe. Oswald (Wendelin Oswald, Münsterprediger) sagte, Gluß (Othmar Wild, Gluss genannt, Grosskeller des Klosters) habe Harnisch und Waffen in seiner Kammer, desgleichen auch der Unterpfister (klösterlicher Beamter). Auch hat er (Wendelin Oswald) gesagt, dass man ihm Harnisch und Waffen herübergegeben habe. Auch habe jeder Mönch Waffen in seiner Zelle.

1525 war sowohl für die Fürstabtei als auch für die Stadt St. Gallen ein turbulentes Jahr. Die Reformation hatte sich auch auf dem Land ausgebreitet und zu Unruhen unter der bäuerlichen Bevölkerung geführt. Ausgangspunkt war ab 1523 die Zürcher Landschaft. Von dort schwappten die Unruhen in den ganzen oberdeutschen Raum über. So trafen sich im Januar 1525 die schwäbischen Bauern zu einem Religionsgespräch mit dem Reformator Christoph Schappeler in Memmingen und schlossen sich zu einer Christlichen Vereinigung zusammen. In der daraus entstandenen programmatischen Beschwerdeschrift (Zwölf Artikel) protestierten sie gegen übersteigerte herrschaftliche Feudalabgaben sowie ungerechte Herrschaftspraxis und stellten das Machtmonopol von Adel und Geistlichkeit in Frage. Ab März 1525 griffen Untertanen im nördlichen Bodenseegebiet Burgen und Besitzungen der Adligen an, im Mai 1525 kam es zu einer Reihe von entscheidenden Niederlagen der Bauern gegen den regionalen Adel. Zehntausende Bauern kamen dabei ums Leben. Der Fürstabt von St. Gallen dürfte diese Entwicklungen mit Schrecken verfolgt haben, denn die Forderungen wurden auch durch seine Untertanen aufgenommen: Im ganzen Herrschaftsgebiet der Fürstabtei flammten 1525 Unruhen auf. Im März 1525 wurde ein Berater des Abtes, der Jurist Christof Winkler, in seinem Wohnhaus in Tablat von äbtischen Untertanen überfallen und gefangen genommen. Viele Gemeinden reichten Beschwerdeschriften gegen die äbtische Herrschaft ein. In der Folge wurden zahlreiche Verhandlungen zwischen der Abtei und den Untertanen abgehalten. Im Juli 1525 konnten die Differenzen schliesslich mit Hilfe der vier äbtischen Schirmorte Zürich, Glarus, Schwyz und Luzern in den Rapperswiler Verträgen beigelegt werden. Dass der Abt dem neuen Frieden jedoch nicht traute, zeigt seine Waffenbestellung ins St. Annaschloss in Rorschach drei Monate nach Abschluss der Rapperswiler Verträge. Rorschach war eine der grössten und wichtigsten fürstäbtischen Vogteien im klösterlichen Territorium. Die Lieferung an den Vogt, der auf dem St. Annaschloss residierte, sollte diesen für allfällige Angriffe ausrüsten. Der deutsche Bauernkrieg nördlich des Bodensees und die Unruhen in der eigenen Landschaft hatten den Abt wachsam gemacht. Auch in der Stadt St. Gallen war 1525 ein unruhiges Jahr geprägt durch die Täuferkrise. Die Täufer, Anhänger einer radikalen Variante der Reformation, nahmen auch in St. Gallen mehr und mehr Raum ein. Bekannte Täufer predigten in der Stadt und vollzogen Massentaufen in der Sitter. Viele St. Galler wurden Anhänger der radikalen Gruppe. Für die Obrigkeit der Stadt war diese Entwicklung gefährlich, lehnten die Täufer doch eine obrigkeitliche Herrschaft, Besitz und Reichtum ab und verweigerten den im 16. Jahrhundert die Gesellschaft konstituierenden Eid. Um den Täufern im Notfall Einhalt gebieten zu können, rief der Rat seine Bürger im April 1525 zur Bildung einer Bürgerwehr auf. Jeder männliche Bürger musste sich mit Waffen ausrüsten und für einen Angriff bereitstehen. Im Juni 1525 wurden die Täufer aus der Stadt gewiesen. Gleichzeitig vereidigte die Obrigkeit 200 Männer: Sie wurden zur Wehrbereitschaft verpflichtet und mussten alle bewaffnet sein. Aufgrund dieser Entwicklung in der Stadt schien es dem Abt wohl geraten zu sein, nicht nur das Schloss in Rorschach, sondern auch seinen Konvent mit Waffen zu versorgen. So lässt sich erklären, dass in dieser unsicheren und krisenhaften Zeit sowohl Bürger als auch Mönche auf alles vorbereitet sein wollten und Waffen in ihren Häusern und Zellen aufbewahrten.
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