Den Teufel an den Pranger gehängt – Vorwürfe an das reformierte St. Gallen

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Einleitung
Den Teufel an den Pranger gehängt – Vorwürfe an das reformierte St. Gallen
Altes Archiv, Ratsprotokoll 1518-1528, S. 131.

Hans Egli kam ins St. Galler Gefängnis, weil er die St. Galler Obrigkeit als Ketzer verunglimpft und den St. Gallern Bilderschändungen vorgeworfen hatte. In St. Gallen seien der Teufel an den Pranger gehängt und ein Bildnis von Maria ins Bordell getragen worden. Hans Egli, ein radikaler Verfechter des alten Glaubens, störte sich offenbar an den reformatorischen Strömungen, die in der Stadt St. Gallen bereits früh verbreitet waren und ab 1526 immer stärker von der Obrigkeit auch gesetzlich verankert und durchgesetzt wurden. Hans Egli war der Statthalter von Forstegg, einer kleinen Herrschaft im Rheintal, die im Besitz des Freiherrn Ulrich von Hohensax war. Auch in Forstegg kämpfte Egli für den katholischen Glauben. Dort wandte er sich ab 1525 gegen die reformatorisch gesinnte Bevölkerung und versuchte, Aufstände niederzudrücken und von der Bevölkerung neu gewonnene Rechte wieder rückgängig zu machen. 1529 amtete er zudem als heimlicher Vermittler zwischen den katholischen Orten und Habsburg-Österreich. Daraufhin wurde das katholische Bündnis der Christlichen Vereinigung geschlossen. Egli wurde deshalb als Konspirateur von der Obrigkeit des Standes Zürich verhaftet, doch auf Bitte seines Herrn, Ulrich von Hohensax, wieder freigelassen. Auch nach seiner Verhaftung in St. Gallen bat sein Herr bei der St. Galler Obrigkeit um Gnade für seinen Untergebenen. Andere Orte und Personen setzten sich ebenfalls für Egli ein. Die Bitte um Freilassung durch Angehörige des Inhaftierten war ein typisches Charakteristikum der mittelalterlichen und frühneuzeitlichen Rechtsprechung. So konnte die Obrigkeit abschätzen, wie gut der Inhaftierte in die Gesellschaft integriert war. Egli wurde aufgrund seiner gewichtigen Fürbitter bald freigelassen. Erstaunlich ist allerdings die für diese Zeit sehr hohe Strafe und Bürgschaft. St. Gallen wollte wohl ein Exempel statuieren und deutlich machen, dass man Schmähungen in dieser unruhigen Zeit der Glaubensspaltung nicht dulden werde. Vor seiner Freilassung musste Egli – wie jeder entlassene Häftling – unter Eid schwören, dass er sich an niemandem, der ihn ins Gefängnis gebracht hatte, rächen werde, also auch nicht an der St. Galler Obrigkeit. Er leistete damit eine sogenannte Urfehde, die mit einem Siegel rechtskräftig beurkundet wurde.


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Übung
Den Teufel an den Pranger gehängt – Vorwürfe an das reformierte St. Gallen
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Resultat
Den Teufel an den Pranger gehängt – Vorwürfe an das reformierte St. Gallen
Die Transkription lautet:
Grosß Rat uff Cathedra
Petri anno 1526
Hanns Eglin, Statthalter zuo Vorstegk, hat zuo Lucern, Ard, uff
Gaisß unnd anders wa von miner Herren geredt, wie man hie den
Tüfel an den Brager gehenck unnd ain Marien Bild gestucht
ins Frowen Hus tragen hab, och miner Herren ketzert unnd mengerlay
Schmachred zuogeredt hat. Darumm ist er in miner Herren Vencknusß komen,
aber uff hoch Pitt des Herren von Sax, siner Gnaden Gmahel
unnd sons, och dero von Appentzell, Aldstetten unnd Vorstegg
unnd annderer guoter Herren unnd Xellen usß Vencknusß gelassen,
doch gestrafft umm 50 Gulden unnd vertröst 1000 Gulden unnd
daruf ain versigelt Urfecht gesworn.
Erörterung:
Grosser Rat auf Cathedra Petri im Jahr 1526 (22. Februar 1526)
Hans Egli, Statthalter von Forstegg, hat in Luzern, Arth und in Gais und an anderen Orten von der St.Galler Obrigkeit [miner Herren] erzählt, wie man hier (in der Stadt St.Gallen) den Teufel an den Pranger gehängt und ein Marienbild, das Haupt mit einer Kopfbedeckung bedeckt [gestucht], ins Bordell [Frowen Hus] getragen habe. Auch hat er (Hans Egli) über die Obrigkeit von St.Gallen [miner Herren] ketzerisch gesprochen [ketzert] und mancherlei Schmachreden geführt. Deshalb ist er in das obrigkeitliche Gefängnis gekommen, doch auf grosse Bitte des Herrn von Sax, dessen Frau [siner Gnaden Gmahel] und darüber hinaus jener von Appenzell, Altstätten und Forstegg und anderer guter Herren und Gesellen [Xellen] aus dem Gefängnis wieder entlassen worden. Jedoch wurde er mit 50 Gulden Busse bestraft und mit 1000 Gulden Bürgschaft [vertröst] belegt. Darauf (auf die Entlassung aus dem Gefängnis) hat er eine besiegelte Urfehde geschworen

Die Reformation war 1526 schon in weiten Teilen der Eidgenossenschaft verbreitet – besonders in Zürich. Die Obrigkeit der Limmatstadt hatte bereits Bilder aus den Kirchen entfernen lassen. Eine öffentliche Disputation – ein Religionsgespräch – zur Frage, wie mit Bildern umgegangen werden sollte, hatte in Zürich bereits 1523 stattgefunden. Von dort aus verbreiteten sich die Diskussionen über Bild- und Heiligenverehrungen durch Predigten, Flugschriften und weitere Religionsgespräche innerhalb der Bevölkerung. In Wirtshäusern, auf der Strasse und auf Märkten wurde darüber debattiert. Auch zur Tat geschritten wurde schon bald. Vielerorts trugen Handwerker und Bauern Bilder eigenmächtig aus den Kirchen, zerstörten sie oder schändeten die darauf dargestellten Heiligen. In St. Gallen gab es ähnliche Vorfälle. Hier hatte man einzelne Bürger bestraft, weil sie unerlaubt Altartücher und Umhänge im Beinhaus gestohlen und verbrannt hatten. Tatsächlich wurde auch ein Tischmacher namens Vincenz Wetter verhaftet, weil er aus einer Kirche die Statue eines Teufels entwendet und an den Pranger gehängt hatte. Offenbar hatte der verurteilte Hans Egli mindestens einen Teil seiner Geschichte nicht frei erfunden. Zur Geschichte des Marienbilds, das laut Egli ins Bordell getragen worden war, sind allerdings keine Belege zu finden. Solche bilderfeindlichen Aktionen oder das Streuen von Gerüchten können als provokative Taten von Teilen der Bevölkerung angesehen werden, die die Reformation damit an die Öffentlichkeit bringen und zur Diskussion stellen wollten. Hans Eglis Schmähungen geschahen allerdings in einer für St. Gallen heiklen Phase. Die Verhaftung Eglis fiel nämlich in die Zeit der eidgenössischen Bündniserneuerungen. Dabei wollte St. Gallen als zugewandter Ort der Eidgenossenschaft das Bündnis mit sämtlichen anderen Orten erneuern. St. Gallen lag viel an diesem Vorhaben. Es lehnte deshalb auch Separatbündnisse mit Zürich und Bern ab, in der Hoffnung, durch diese Vorgehensweise die Bünde mit mehreren Orten erneuern zu können. Einen Hans Egli, der überall herumerzählte, dass in St. Gallen Heiligenbilder geschändet würden und die Reformation in der Stadt weit vorangeschritten war, konnte man deshalb in dieser Zeit überhaupt nicht brauchen. Möglicherweise lässt sich so die überdurchschnittliche Höhe der Strafe und der Bürgschaft erklären. Umso schlimmer war, dass sich sogar die eidgenössische Tagsatzung auf Begehren von Eglis Vorgesetztem, Ulrich von Hohensax, für eine Straf- und Bürgschaftsminderung einsetzte – und das genau an der Tagsatzung vom 18. Juli 1526, als auch – in Abwesenheit Zürichs – über die Bündniserneuerungen debattiert wurde. Man verlangte von St. Gallen die Herausgabe und somit die Vernichtung von Eglis Urfehde und wollte diese durch ein neues Urteil mit einer verminderten Strafe und Bürgschaft ersetzen. Nach einigem Beharren gab St. Gallen diesem Drängen schliesslich nach – vielleicht auch in der Hoffnung, dies wirke sich positiv auf die Bündniserneuerung aus. Doch St. Gallen stand bei den altgläubigen Orten bereits im Ruf, eine Stadt zu sein, die der Reformation Tür und Tor öffne. Es sei in St. Gallen mit der ketzerischen Reformation sogar "ee mer dann minder", also eher schlimmer als besser als in Zürich. Vor diesem Hintergrund verweigerten die altgläubigen Orte St. Gallen die Bündniserneuerung.
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