Eine suizidgefährdete Frau im Spital
Bis ins 19. Jahrhundert wurden in den bereits mehrfach erwähnten st.gallischen medizinischen Einrichtungen nicht nur Personen mit körperlichem Leiden, sondern auch psychisch Kranke unterge-bracht. Die meisten von ihnen wurden im Prestenhaus versorgt, doch nicht selten finden sich Hinweise auf die Unterbringung von psychisch kranken Personen auch im Zuchthaus. Damit gehören sie zu den besonders benachteiligten Personen unter den Kranken.
Seit dem frühen 19. Jahrhundert wuchs in Europa die Überzeugung, dass Menschen mit einem psychischen Leiden in Spitälern zusammen mit körperlich Beeinträchtigten, Alten und Waisen nur ungenügend versorgt waren. In St.Gallen wurde daraufhin 1816 die erste Institution für psychisch Kranke gegründet: das so genannte «Tollhaus» am Näfenacker. Nach 1847 wurden sie in St.Pirminsberg in Pfäfers untergebracht.
Hinweise zur Transkription
Distinktionszeichen werden in der Transkription weggelassen. Passen Sie i und j dem heutigem Gebrauch an (z.B. «ihr» statt «jhr»). Zeitgenössische Worttrennungen (in der Regel durch Doppelpunkte angezeigt) werden in der Transkription mit Binde-strichen dargestellt. Geben Sie Wörter, die zusammen geschrieben sind, sinngemäss jedoch nicht zusammen gehören, getrennt wieder («alle erlaubnus» statt «alleerlaubnus»), und schreiben Sie im umgekehrten Fall zusammengehörende Wortteile zusammen («versorget» statt «ver sorget»). Lösen Sie Kürzungen (z.B. er-Kürzungen sowie die Abkürzungen für «spitalmeister» und «herrn») auf. Beachten Sie, dass bei Wörtern, welche auf -en enden, bisweilen ein vom Endbuchstaben abwärts geführter Bogen oder Haken angehängt wird (z.B. bei «erleiden» oder «lassen»).
Magdalena Thömmin im krancken-
hauß betreffend,
welche mit schwehrmüthigen gedancken
umgehet und sich heraußgelassen, daß sie
mit anfechtungen, sich leiblos zu machen,
behafftet etc., ist auf herrn spitalmeisters einfrag
erkennt, daß sie, solang es mit ihr zu erleiden,
im spital, als woselbst sie wol versorget,
gelassen werden, im nothfall aber herr spitalmeister
sie ins prestenhaus bringen zu lassen, vor-
laüffig alle erlaubnus und gewalt haben solle.
Die wohl an Depressionen leidende Magdalena Thömmin war bis auf weiteres im Heiliggeist-Spital untergebracht. «Im Nothfall» – wohl wenn sich die Anzeichen auf einen Suizidversuch («sich leiblos machen») mehrten – sollte sie ins Prestenhaus verlegt werden. Der Grund für diese allfällige Verlegung war die im Verhältnis zum Spital übersichtlichere Ordnung im Prestenhaus: Zeitgenössische Quellen berichten, dass sowohl sich selbst als auch andere gefährdende Personen dort der Aufsicht des Prestenwartes näher waren als andernorts.