Haben die Züricher verlorn den Zwingli. Kommunikation im Zweiten Kappelerkrieg

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Einleitung
Haben die Züricher verlorn den Zwingli. Kommunikation im Zweiten Kappelerkrieg
Vadianische Sammlung der Ortsbürgergemeinde St.Gallen, Ms 40, 104.

Der Zweite Kappelerkrieg fand im Herbst 1531 statt. In mehreren Gefechten auf dem Gebiet des heutigen Kantons Zürich trafen Truppen des reformierten und des katholischen Lagers aufeinander. Im ersten Gefecht im Oktober bei Kappel am Albis starben viele Zürcher, darunter auch der Reformator Ulrich Zwingli. Davon berichtete Christian Fridbolt in einem Brief an Vadian vom 13. Oktober 1531. Die reformierte Stadt St. Gallen war mit Zürich und anderen reformierten Orten verbündet und musste die Zürcher im Krieg mit Truppen unterstützen. Christian Fridbolt stand der St. Galler Truppe als Hauptmann vor. Der frühe Angriff auf die Zürcher bei Kappel am Albis überraschte alle – die St. Galler waren noch gar nicht vor Ort, um die Zürcher Verbündeten zu unterstützen. Für Christian Fridbolt waren die Zürcher an der Niederlage auch selber schuld: „Uss Hoffart“ – übermütig – hätten sie gehandelt, ohne Vorsicht. Doch er blieb zuversichtlich und versicherte Vadian, man werde die Niederlage rächen.


Doch Fridbolts Hoffnungen erfüllten sich nicht: Die reformierte Seite verlor auch in weiteren Gefechten viele Soldaten. Die katholischen Orte der Eidgenossenschaft setzten im Friedensvertrag nach dem Zweiten Kappelerkrieg, dem sogenannten Zweiten Kappeler Landfrieden, ihre Vorstellungen um. Nun durften laut Vertrag die weltlichen oder geistlichen Obrigkeiten bestimmen, welchen Glauben die Untertanen annehmen mussten. Deshalb begann der Fürstabt von St. Gallen mit der Rekatholisierung von Gebieten, in denen inzwischen reformierten Gottesdienst eingeführt worden war, beispielsweise im Fürstenland und im Toggenburg.


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Übung
Haben die Züricher verlorn den Zwingli. Kommunikation im Zweiten Kappelerkrieg
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Resultat
Haben die Züricher verlorn den Zwingli. Kommunikation im Zweiten Kappelerkrieg
Die Transkription lautet:
Mein alzytt willig Dienst. Günstiger Her Doctor, wyssen,
das vast ubel gangen ist, dan uss Hoffart haben die
Züricher verlorn den Zwingli
und so vill Ere Lutten, das mich
verwündert. Ich trüw zu Gott, mir wellen es rechen.
Mir komen uff datum zu dem Zug, der ligt uff dem
Albys. Zöger kan ess uch als berichten, ist in dem leger
gesin. Damit Gott befolenn. Datum uff Frytag vor Galli.
Ewer williger
Cristan Fridbolt.
Erörterung:
Ich versichere meinen jederzeit willigen Dienst (Anredeformel). Lieber [Günstiger] Herr Doktor (Dr. Joachim von Watt alias Vadian), ihr sollt wissen, dass es sehr [vast] schlimm ausgegangen ist, denn aus Übermut [uss Hoffart] haben die Zürcher den Zwingli verloren (...) und so viele Ehrenleute, dass es mich verwundert. Ich vertraue auf Gott, wir wollen es rächen. Wir sind heute [uff Datum] zum Zug (der Zürcher) gestossen, der auf dem Albis (Hügelkette südwestlich von Zürich) liegt. Der Zeiger (des Briefes) kann euch alles berichten, denn er war in dem Lager. Seid Gott empfohlen. Gegeben am Freitag vor Gallustag (13.10.1531).
Euer williger (Diener) Christian Fridbolt.

Briefe waren im 16. Jahrhundert wichtige Mittel der Kommunikation, auch im Krieg. Während des Zweiten Kappelerkriegs wurden zahlreiche Briefe zwischen der Stadt St. Gallen und den am Albis stationierten St. Gallern hin und her geschickt. Alle Briefe waren an die städtische Obrigkeit adressiert. Manche davon waren an Rat und Bürgermeister gerichtet, manche – wie der vorliegende – hingegen an Vadian persönlich; mit ihm verband Christian Fridbolt eine enge Freundschaft. Die Kommunikation lief über mehrere, sich teilweise überschneidende Kanäle. Dies erhöhte die Chance, dass die Nachrichten rechtzeitig ankamen, denn die Beförderung von Briefen war unsicher.
Eine zentrale Funktion in der Kommunikation nahm der Bote ein. Er musste vertrauenswürdig sein, schnell reiten können und sich im Falle einer Gefahr zu helfen wissen. Brief und Bote waren damals die schnellste Form der Nachrichtenübermittlung. Im Zweiten Kappelerkrieg waren mehrere St. Galler als Boten im Einsatz und ritten auf derselben Strecke hin und her. Was der Bote transportierte – sei es eine Mitteilung, geheime Informationen oder Geld –, musste er zuverlässig dem Adressaten übergeben. Darüber hinaus hatte der Bote auch eine kommunikative Funktion. Er übermittelte mündlich Ergänzungen zum schriftlichen Text und gab weitere Auskünfte, insbesondere über heikle Dinge – denn was nicht auf Papier festgehalten worden war, konnte auch nicht in fremde Hände geraten. Im Brief von Christian Fridbolt an Vadian wird auf den Brief-Zeiger hingewiesen: "Zöger kann ess uch als berichten, ist in dem Leger gesin." Der Bote war also selbst vor Ort im Lager bei Kappel gewesen und konnte genaue Auskunft darüber geben. Was im Brief steht, stellt nur einen Teil der Mitteilung dar. Vermutlich war es Niklaus Kunz, der den Brief vom 13. Oktober mit der Nachricht vom Tod Zwinglis an Vadian überbrachte. Christian Fridbolt schrieb vier Tage später zusammen mit Sebastian Graf und Jakob Kapfmann einen zweiten Brief. Darin nimmt er Bezug auf den ersten Brief, den er via Niklaus Kunz nach St. Gallen geschickt hatte: "Hab üch darfor per Niclausen Cuonzen geschriben den Unfal, so denen von Zürich begegnet." Nicht selten wird am Anfang eines Briefs der Name des Boten genannt. Dies war eine Sicherheitsmassnahme und half mit, allfällige Falschmeldungen aufzudecken oder verlorene Briefe aufzuspüren.
Der Briefschreiber Christian Fridbolt wusste genau, was er vom Boten erwartete, denn der erfolgreiche St. Galler Kaufmann war in den 1520er-Jahren selbst häufig als Gesandter, Diplomat und Bote für die Stadt St. Gallen unterwegs gewesen. Die Vertrauenswürdigkeit Fridbolts wird in Briefen an Vadian wiederholt lobend erwähnt, so auch vom Zürcher Reformator Ulrich Zwingli und den Strassburger Reformatoren Martin Bucer und Wolfgang Capito. Christian Fridbolt war in den reformierten Kreisen der Zeit ein beliebter, bekannter und allseits geschätzter Briefübermittler. Vadian vertraute ihm wichtige Informationen mündlich an, sodass er sie nicht zu Papier bringen musste. 1526 schrieb Vadian in einem kurzen Brief an den Berner Reformator Berchtold Haller: "Omnia tibi narrabit Christannus noster bona fide, quae te scire cupio" – "Unser Christian wird dir alles, was ich Dich wissen lassen möchte, in guter Treue berichten".
Dass politisch und strategisch heikle Mitteilungen sowie Nachrichten aus dem Feld nur via eigene, vertrauenswürdige Boten verschickt wurden, liegt auf der Hand. Aber auch für Briefe mit unverfänglichem Inhalt gab es keine Möglichkeit, diese wie heute mit der Post zu verschicken. Nur auf zentralen Verkehrsachsen gab es im frühen 16. Jahrhundert erste Postdienste, organisiert von grossen Landesherrschaften. So betrieb die Reichspost der Adelsfamilie Taxis schon früh feste Postlinien, die teilweise auch das Gebiet der Schweiz umfassten. Im 16. Jahrhundert etablierte sich eine französische Postorganisation, welche Briefe von Lyon nach Solothurn transportierte und von dort in andere Schweizer Städte weiterleitete. Häufig waren es städtische Kaufleute, die erste Postkurse lancierten, weil sie durch ihre internationalen Handelsgeschäfte auf eine rasche und regelmässige Kommunikation mit ihren europäischen Geschäftspartnern und Kunden angewiesen waren. Deshalb organisierten die St. Galler Kaufleute in der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts einen wöchentlichen Kurs nach Nürnberg und einen vierzehntägigen Kurs mit Boten- und Pferdewechseln via Genf nach Lyon. Sowohl in Nürnberg als auch in Lyon hatten St. Galler Handelsgesellschaften Ableger vor Ort, die St. Galler Leinwand und andere Waren nach ganz Europa lieferten. Die Anfänge der Post sind mit dem Handel eng verknüpft.
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